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Tagebuchaufzeichnungen - 18. Tag

Samstag, 9. September 2006  -  Currywurst in polnischen Nationalfarben

Von Cluchow (Schlochau) nach Chojnice (Konitz), 13 Kilometer

Ich stehe um sieben Uhr auf und gehe gegen acht Uhr zum Frühstück. Werner Panknin, der Vorsitzende des Heimatkreises Schlochau, mit dem ich mich gestern verabredet hatte, sitzt bereits beim Morgenkaffee. Wir kommen schnell ins Gespräch, und er erzählt mir, dass die Kreisgemeinschaft seit Jahren gute Beziehungen zur Stadt Czluchow pflegt. Gestern habe er ein Gespräch mit dem Bürgermeister geführt. Sie vereinbarten, eine Art Suchstelle bei der Stadtverwaltung in Czluchow einzurichten. Der Grund: Immer wieder würden alte Schlochauer oder deren Angehörige Anfragen an den Heimatkreis richten. Das Auskunftsbüro soll Fragen nach dem Verbleib von Personen oder Familienstandsfälle klären.

Der Heimatkreis-Vorsitzende Werner Panknin während seines Vortrags über die Kulturgeschichte Schlochaus

Am Vormittag findet Panknins Vortrag über die Kulturgeschichte des Schlochauer Landes in der Zeit von 1920 bis 1945 statt. Tagungsort ist der Vortragssaal in der alten Schlochauer Ordensburg. Als ich eintreffe, spricht bereits ein polnischer Professor aus Thorn zu den Gästen. Natürlich auf polnisch.

Panknins Vortrag wird vorher an die Zuhörer in einer polnischen Übersetzung verteilt. Seinen Beitrag in deutscher Sprache ergänzt Panknin mit historischen Fotos aus dem Schlochauer Land, die mittels eines Beamers auf eine Leinwand projiziert werden. Die Reaktion der polnischen Teilnehmer auf den Vortrag ist verhalten freundlich. Nachfragen werden keine gestellt.

Zeugen Jehovas in Czluchow (Schlochau)

Als ich aus dem Konferenzsaal trete, übrrascht mich ein älteres grauhaariges Pärchen, das auf einer Bank vor der Ordensburg sitzt. Sie halten mir Publikationen der Zeugen Jehovas entgegen. Ich wundere mich, dass die Glaubensgemeinschaft auch in Polen aktiv ist. Die Alten sprechen sogar etwas deutsch. Ein Heftchen zu kaufen, lehne ich dankend ab.

Bevor ich mich auf den Weg nach Chojnice (Konitz) mache, kaufe ich mir neue Unterwäsche. Ich muss mich nicht lange umschauen, bis ich auf einem kleinen Markt einen Stand mit Textilien finde. Für weniger als 2 Euro erwerbe drei Unterhosen und fünf Paar Strümpfe, bei denen es sich laum lohnt, sie zu waschen.

Das Wetter ist überraschend gut, als ich wieder auf die vermaledeite Fernstraße 22 treffe. Heute läuft es sich leichter als sonst. Die Autos werden tatsächlich durch einen weißen Trennstreifen auf dem Asphalt auf Distanz gehalten. Doch auf der Hut muss ich trotzdem bleiben. Der Verkehr beansprucht weiterhin zu stark meine Aufmerksamkeit.

Schlochauer Tor in Chojnice (Konitz)

Nach 13 Kilometern entlang der Hauptstraße treffe ich gegen 15 Uhr in Choinice, dem früheren pommerschen Konitz, ein. Problemlos finde ich eine Unterkunft im Zentrum der Stadt. Für 130 Zloty miete ich mich in einem sehr schön restaurierten alten Backsteinbau im Hotel "Sukiennice" ein. Als ich einchecke warnt mich die Dame an der Rezeption, dass heute Abend eine Hochzeitsfeier im Hotel stattfinden wird. Es könne laut werden. Leichtsinnig schlage ich ihre Warnung in den Wind.

Rathaus in Chojnice (Konitz)

Nach erfrischendem Duschbad gehe ich zum Fotografieren in die Stadt. Die Sonne scheint. Es ist warm. Auf dem Marktplatz herrscht eine spätsommerliche Atmosphäre. Junge Leute sitzen in leichter Kleidung am Marktplatzbrunnen. Mich beeindruckt besonders das Rathaus mit seinem mächtigen Giebel. Sehenswert sind auch die alten zum Teil erhaltenen Stadttore.Ein Prachtstück ist der massive Schlochauer Torturm.

Im Imbiß am Marktplatz werden Currywürste verkauft. Der Geruch steigt mir in die Nase. Ich weiß ja, diese Form der Nahrung soll nicht gesund sein. Aber der Heißhunger ist stärker. Ich kaufe eine richtig dicke, fette polnische Currywurst, garniert in den polnischen Nationalfarben: mit weißer Mayonnaise und rotem Ketchup. Kirchenglocken läuten, als ich genüßlich in die Wurst beiße.

Unweit des Marktplatzes liegt die Kirche "Mariä Verkündigung", die im Stil der späten Barockzeit im 16. Jahrhundert von Jesuiten erbaut wurde. Ein Pfarrer zelebriert eine Trauung. Andächtig lauschen die Hochzeitsgäste seinen Worten. Sind es vielleicht die Lärmmacher, vor denen ich gewarnt wurde?

Gegen 19 Uhr gehe ich aufs Zimmer. Es ist ruhig, als ich mich hinlege. Aber dann wird es lustig, die Hochzeitsstimmung steigt und dringt durch das alte massive Gemäuer.

 

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Carsten Voigt

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